Wie ich wurde, was ich bin

Als ich, Nicola Kellner, begonnen habe, diesen Artikel im Rahmen der BoomBoomBlog-Challenge 2022 von Sympatexter zu schreiben, musste ich erst einmal diese Frage für mich klären: Was bin ich? Welcher Teil von mir ist mir heute wichtig?

Tatsächlich habe ich momentan zwei große Schwerpunkte in meinem Leben – einerseits bin ich hauptberuflich die Leiterin einer Software-Entwicklungsabteilung, andererseits bin ich aber auch Mentorin für weibliche Führungskräfte. Mir ist es ein Herzensanliegen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, doch ich beobachte sehr häufig, dass Frauen der Mut dazu fehlt. Sie glauben, sie seien nicht gut genug oder “Führung” würde nicht zu ihnen passen. Sie glauben, sie müssten sich verbiegen, um eine Führungsposition ausüben zu können. Dabei lässt es sich ganz wunderbar auch mit typisch weiblichen Eigenschaften führen! Häufig wird Führung zwar mit Eigenschaften wie “dominant”, “durchsetzungsstark” und “selbstsicher” in Verbindung gebracht, es geht aber auch anders! Gerade in Zeiten von New Work spielen Empathie, gute Kommunikationsfähigkeiten und Wertschätzung eine immer wichtiger werdende Rolle.

Wenn ich mit meiner Arbeit als Mentorin auch nur eine weitere Frau in eine Führungsposition bringen kann, dann hat sich meine Arbeit schon gelohnt!

Aber wie wurde ich nun, was ich heute bin, wie sah der Weg dahin aus?

Mein Weg zur Abteilungsleiterin und Mentorin

1970 – 1976: Junge oder Mädchen? Meine Kindheit

Aus heutiger Sicht war das erste prägende Erlebnis in meinem Leben meine eigene Geburt als Mädchen. Das hört sich auf den ersten Blick nicht besonders prägend an, bei mir war es das aber! Denn meine Eltern hatten – aus welchem Grund auch immer – mit einem Jungen gerechnet. Ich war also anders als erwartet und dieses “Anderssein” setzte sich in meinem Leben fort, vielleicht gerade WEGEN dieser Erfahrung. Ich war immer etwas anders als die anderen Mädchen und habe schon immer auch Dinge gemacht, die nicht “typisch Mädchen” sind, ich habe unbewusst bereits in dieser Zeit weibliche und männliche Eigenarten vermischt. So war Mathe bereits in meinen ersten Schuljahren mein absolutes Lieblingsfach.

1976 – 1989: Typisch Mädchen! Mein Weg zum Abitur

Ich hatte aber durchaus auch typische weibliche Eigenschaften, ich war bescheiden, gehorsam und fleißig. Ich achtete darauf, dass die Nachbarn nicht schlecht über mich redeten (kleiner Scherz am Rande, meinen Eltern war es tatsächlich immer sehr wichtig, was andere von uns dachten. Daher war es am besten, man fiel nicht weiter auf). Und so machte ich ohne große Aufregung mein Abitur mit Mathe und Französisch als Leistungskursen. Hier mischte sich der weibliche Teil (Sprachen) mit dem männlichen Teil (Naturwissenschaften).

1989: Schwere Entscheidung mit Happy End: Was soll ich studieren?

Dann kam der schwierige Part: Was sollte ich mit diesem Abitur machen, was sollte ich studieren? Maschinenbau? Zu viele Männer, zu volle Hörsäle, dauerte zu lange. Romanistik? Um Gottes Willen, brotlose Kunst. Lehrer? Auf keinen Fall! Und so ließ ich tatsächlich die Ausbilderin in meinem Praktikum entscheiden, denn eigene Entscheidungen waren nicht so mein Ding: Sie schlug ein Studium an der Universität Hildesheim vor: Fachübersetzen Technik. Französisch UND Mathe – das hörte sich traumhaft für mich an, also schrieb ich mich dort ein. Problem gelöst. (Falls du diesen Studiengang jetzt suchst: Es gibt ihn nicht mehr, sein Nachfolger heißt “Internationale Kommunikation und Übersetzen“).

1989 – 1995: Wie war das noch mal mit dem Happy End?

Happy End. WIRKLICH? Im Studium stellte sich heraus, dass ich zwar viel über technische Elemente lernen musste, aber doch nur sehr selten Mathe brauchte. Wie blöd. Und dann merkte ich ziemlich schnell, dass der eigentliche Übersetzungsprozess überhaupt nicht mein Ding ist. Ich mag zwar Sprache, aber einen Text zu übersetzen? Spaß sieht für mich anders aus. Aber da ich fleißig und bescheiden bin und meine Eltern auf keinen Fall enttäuschen wollte, zog ich das Studium durch und schloss es auch mit einer recht guten Note im Jahr 1995 ab.

1995: Meine ersten Berufsjahre als Technische Redakteurin und Übersetzerin

Dann begann der Ernst des Lebens, mit 25 stieg ich bei einer Firma hier in der Region als Technische Redakteurin und Übersetzerin ein. Der Job als Technische Redakteurin gefiel mir tatsächlich besser als der der Übersetzerin, immerhin konnte ich mit den Maschinen und der Software arbeiten, die ich beschreiben musste. Aber so richtig erfüllt hat es mich nun auch wieder nicht. Technische Dokumentation ist schon ein sehr trockener Stoff. Da ich aber fleißig und bescheiden bin, blieb ich dort.

1998: Jetzt kommt Abwechslung und Schwung rein!

Nach drei Jahren fiel auch meinem Chef auf, wie fleißig ich bin und er fragte mich, ob ich seine Assistenz übernehmen würde. Da musste ich nicht lange überlegen! Endlich kam Abwechslung und Spannung in meinen Berufs-Alltag! Zahlen, Daten, Fakten spielten plötzlich eine Rolle (männliche Seite), kombiniert mit vielen Kommunikationsthemen (weibliche Seite). Ich war im Himmel! In dieser Position arbeitete ich täglich mit Führungskräften zusammen und fand das super spannend.

1998 – 2007: Führungskraft sein? Das kann ich auch. Oder doch nicht. 

Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass das, was die Führungskräfte tagein, tagaus machten, auch mir liegen würde. Ich traute mir solch einen Job durchaus zu (männliche Seite), meinte aber gleichzeitig zu wissen, dass mein Studium leider thematisch nicht optimal dafür gewählt war. Ich redete mich und mein Können damit wieder klein (weibliche Seite) und verzichtete zunächst auf weitere Schritte. In dieser Zeit konzentrierte ich mich auf ein anderes wichtiges Projekt in meinem Leben: Ich bekam zwei Söhne, die mein Leben seit 2000/2002 bereichern. Ein Jahr machte ich Elternzeit, dann “stand ich wieder meinen Mann” im Job.

2007 – 2011: Studieren mit 37 – eine gute Idee? Ja!

Die fehlende fachliche Qualifikation ließ mir keine Ruhe. So entschied ich mich 2007 für ein weiteres (Fern-)Studium an der FH Wolfenbüttel. Das ist wohl wieder typisch weiblich, ich brauche erst eine Ausbildung, ein Zertifikat, bevor ich mich auf andere Positionen bewerben kann. Und so habe ich das – wie immer – durchgezogen und erwarb nach 7 Semestern den Bachelor of Science in Medieninformatik (männliche Seite). Nebenberuflich, als Mutter von zwei Kindern, mit Hobby, Haus und Garten. Falls dir diese Frage auf der Zunge liegt: Ja, das geht, man kann all diese Dinge miteinander vereinbaren. Allerdings sollte der Ehemann oder die sonstige Umgebung schon mitziehen. Was mein Ehemann getan hat 🙂

2012: Jetzt nimmt die Sache Fahrt auf!

Mit diesem Abschluss in den Händen wurde ich mutig und ich hatte auch Glück – in unserer Firma wurde in der Software-Entwicklung ein neues Team gegründet und ich durfte die Teamleitung dafür übernehmen. Was für ein Glücksfall! Diesen Teamleitungsjob habe ich viele Jahre gemacht, bevor ich dann 2020 die ganze Abteilung übernommen habe. Hatte ich bis dahin hauptsächlich fachlich geführt, kam jetzt die disziplinarische Verantwortung dazu.

2021: Mentorin für weibliche Führungskräfte – ein Herzensanliegen

Deutschland braucht mehr Frauen in Führungspositionen. Davon bin ich überzeugt. Dafür brauchen wir mehr weibliche Vorbilder, mutige, reflektierte und selbstbewusste Frauen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die sich wohl fühlen in ihrer Führungsposition. Die Spaß daran haben zu führen. Gemeinsam mit Gerlinde und Cornelia habe ich daher GeNiCo gegründet und wir helfen Frauen dabei, ihren eigenen authentischen Führungsstil zu finden und diesen dann auch zu leben. Keine Frau sollte sich verbiegen oder verstellen müssen, wenn sie einen Führungsjob übernimmt. Und das muss sie auch nicht! 

Wenn. mir dann die Teilnehmerinnen unserer Kurse Rückmeldungen geben wie “Ihr habt mich aus meiner Lethargie herausgeholt” oder gar “Ihr habt mein Leben verändert” – dann weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin!

Wenn ich auf diese Stationen zurückschaue kann ich sagen: immer dann, wenn ich mich entschieden habe, meine eigenen Träume zu leben, meinen eigenen Ideen zu folgen, das zu tun, was mir wirklich Spaß macht, dann bin ich erfolgreich. Wenn ich mich nicht ablenken lasse von kleinmachenden Gedanken in meinem Gehirn, von gut gemeinten Ratschlägen anderer Menschen aus meinem Umfeld – dann kann ich Großartiges erreichen. Mit all meinen weiblichen und männlichen Eigenschaften, völlig in Balance und mit Leichtigkeit. 

Du möchtest noch mehr über mich wissen? Dann schreibe mir einfach eine Mail: nicky@genico-online.de